Regen nervt, macht nass und gilt energetisch meist als verloren. Während Sonne und Wind längst feste Säulen der Stromerzeugung sind, blieb Niederschlag bisher ein Randthema. Doch ein neues Forschungsergebnis stellt genau das infrage – und rückt Dächer plötzlich in ein völlig neues Licht. Womöglich liegt dank dieser neuen Methodik die Lösung für gleich mehrere Probleme ausgerechnet im schlechten Wetter.
Wie Dächer zum Energielieferanten werden
Im Zentrum der aktuellen Entwicklung steht ein südkoreanisches Forschungsteam der Ulsan National Institute of Science and Technology (UNIST). Statt auf schwere Generatoren oder exotische Materialien setzt der Ansatz auf einen physikalischen Effekt, der bei jedem Regentropfen entsteht. Entscheidend ist dabei nicht die Wucht des Regens, sondern seine ständige Bewegung – selbst bei Nieselwetter. Bisher scheiterten viele Projekte daran, dass sie nur unter Idealbedingungen funktionierten oder zu wenig Energie lieferten, um sinnvoll genutzt zu werden. Genau hier greift der neue Ansatz: Er ist auf reale Wetterbedingungen ausgelegt und soll sich direkt mit vorhandenen Gebäudestrukturen kombinieren lassen. Dächer würden dank des neuartigen Materials damit nicht nur Wasser ableiten, sondern nebenbei Strom erzeugen.
Ein Durchbruch für die Energiegewinnung – Regen als Ressource
Viele der bisherigen Wassertropfen-Generatoren entwickelten Forscherteams auf der Basis von Metall. Dadurch sind diese Konstruktionen anfällig für Korrosion. Für eine Technologie, die dauerhaft im Kontakt mit Regen sein soll, ein schwerwiegendes Problem. Die UNIST-Wissenschaftler hingegen setzen auf ein Polymer, das mithilfe von Kohlefasern verstärkt wurde. Das so geschaffene Material bezeichnen sie als Superhydrophobic Fiber-Reinforced Polymer (S-FRP-DEG).
Regentropfen selbst sind positiv geladen. Fallen sie nun auf eine negativ geladene Oberfläche eines Daches, rinnt der Tropfen daran herunter. Durch diese Bewegung kann elektrische Ladung erzeugt werden. Er fließt dann als elektrischer Strom durch die Kohlefasern und kann so als sofortige Energie genutzt werden. Alles, was dafür notwendig ist, ist die Polymerbeschichtung auf einem Dach anzubringen. Mithilfe einer speziellen Textur wollen die Forscher die Effizienz des Prozesses zusätzlich erhöht haben. Die Beschichtung nahm sich das Lotusblatt als Vorbild, um gleich zwei Probleme mit dem Verfahren zu lösen. Durch ein schnelleres Fließen der Regentropfen verhindert die Beschichtung zum einen, dass der Fluss der Tropfen stockt und stellt so eine gute Stromerzeugung sicher. Zugleich soll damit auch gewährleistet werden, dass sich keinerlei Verschmutzungen ablagern.
Verfahren entstand nicht als Ersatz für PV-Anlagen
Interessanterweise haben die Forscher das Projekt jedoch weniger mit Fokus auf eine Alternative zu PV-Anlagen aufgenommen. Sie wollen es gezielt bei Gegenden und Gebäuden nutzen, die durch Starkregen und Überflutungen regelmäßig bedroht sind. Der Gedanke dahinter ist simpel: Mehr Regenfall erzeugt zugleich mehr Strom über das Polymer auf dem Dach. Dadurch könnte ein System zwischen leichtem, moderaten und starkem Regenfall unterscheiden. Gerade bei starken Regen könnte ein automatisches Signal an Pumpen erfolgen, damit Räume wie Keller oder Garagen vor Überflutungen geschützt werden. Wäre das S-FRP-DEG-System zugleich groß genug, könnte es selbstständig ausreichend Strom für die Pumpen liefern. Zugleich könnte es getrennt vom Stromnetz arbeiten und so eben auch dort noch Pumpen am Laufen halten, wo das Unwetter für einen Stromausfall sorgt.
Ein Forschungsprojekt mit Zukunftsaussicht?
Noch handelt es sich um Laborergebnisse, nicht um ein marktreifes Produkt. Doch der Unterschied zu früheren Ideen ist klar spürbar: Statt spektakulärer Einzelversuche geht es um Alltagstauglichkeit. Sollte sich das Konzept weiterentwickeln lassen, könnte Regen künftig eine kleine, aber stetige Ergänzung im Energiemix werden – besonders in Regionen mit häufigem Niederschlag. Ob daraus tatsächlich eine neue Stromquelle für Privathaushalte entsteht, wird sich zeigen. Klar ist aber schon jetzt: Regen könnte bald mehr sein als nur graues Wetter. Insbesondere, da bei Regenfällen andere Energiequellen wie Solarstrom schwieriger zu erzeugen sind, könnte es sinnvoll sein, den Regen selbst als Ressource anzuzapfen. Das Forschungsprojekt hat daher viel Potenzial für die Zukunft, muss sich jedoch erst fernab von Laboren unter Realbedingungen beweisen. Man darf somit gespannt sein, ab wann die ersten Dächer von Wohngebäuden auch schlechtes Wetter zur Energieversorgung nutzen werden. Oder die Lösung für überfluteten Wohnraum in Starkregenregionen zum Automatismus wird.
