Elektrische Energie ist in Deutschland teuer. Mit einem Durchschnittspreis von 39 Cent kostete die Kilowattstunde im zweiten Halbjahr 2024 im europäischen Vergleich am meisten. Dementsprechend großer Beliebtheit erfreuen sich auf Dächern und Balkonen montierte Solaranlagen, die dabei helfen, die jährliche Stromrechnung zu reduzieren. Allein in Deutschland wurden mehr als eine Million der sogenannten Balkonkraftwerke, also kompakte Anlagen, die maximal 800 Watt ins Stromnetz einspeisen können, installiert.
Nun hoffen Forscher darauf, einer weiteren Technologie für die heimische Selbstversorgung den Weg aus der Nische zu ebnen: Windrädern. Zwar gibt es bereits kompakte Windkraftanlagen, die sich für die Montage auf dem Dach eines Hauses eignen. Doch wirklich attraktiv werden sie erst durch eine neue Herangehensweise.
Windräder auf Dächern kosten viel und bringen wenig
Bisher ist die elektrische Ausbeute von Mini-Windrädern spärlich. Mit aktuellen Anlagen sind derzeit etwa 100 Kilowattstunden im Jahr drin. Allerdings kosten sie mit rund 2.000 Euro erheblich mehr als etwa ein Balkonkraftwerk und gelten damit als wirtschaftlich wenig rentabel.
Bei Windrädern auf Dächern kommen im Wesentlichen zwei große Probleme zum Tragen, die bei den Großanlagen nicht entstehen. Zum einen fällt die Geschwindigkeit des Windes in Bodennähe – und selbiges geschieht auch mit dem Ertrag im Vergleich zu großen Höhen. Zum anderen ist die Gefahr der “Verschattung” durch Bäume und Häuser, die als Hindernis die Windgeschwindigkeit noch weiter verringern und ablenken können, größer. Auch der Einfluss von Turbulenzen ist in Bodennähe größer. Die schwierigen Bedingungen erschweren ferner eine zuverlässige Prognose mit Blick auf die möglichen Erträge, sodass schon die Konzeption einer solchen Anlage keine leichte Aufgabe darstellt.
Forscher finden neuen Ansatz
Dennoch sehen Forscher der Universität Emden/Leer große Potenziale in den kleinen Windrädern und wollen sie “aus der Nische holen”, wie Prof. Dr. Iván Heráez vom Fachbereich Technik unterstreicht. Dazu setzt sein Team auf zwei Stellschrauben.
Zunächst sollen die Vorhersagen zu der jeweils zur Verfügung stehenden Windkraft mithilfe einer Software verbessert werden. Diese soll mittels Künstlicher Intelligenz auch schwer zu berechnende Einflussgrößen in die standortnahen Prognosen für die jeweiligen Anlagen einarbeiten. Das dazu entwickelte System soll die Windbedingungen in einer Höhe von bis zu 30 Metern präzise in Echtzeit berechnen.
Diese Ergebnisse werden schließlich zur Optimierung von speziellen Windkraftanlagen genutzt, die im Rahmen des “Wind & Regio” titulierten Projekts nicht nur von den einzelnen Bereichen der Hochschule, sondern auch in Zusammenarbeit mit Unternehmen entwickelt werden. Das Besondere an diesen Windrädern sind ihre verstellbaren Rotorblätter. Diese werden auf Basis der KI-generierten Prognosen automatisch an die jeweiligen Windverhältnisse angepasst. Gleiches gilt für die Drehzahl des Rotors und des Generators. Auf diese Weise soll mit den Anlagen nicht nur der optimale Ertrag gewonnen, sondern auch die Belastungen gesteuert werden.
Ob sich die Hoffnungen der Wissenschaftler bestätigen, wird sich jedoch erst in Zukunft zeigen: Im nächsten Schritt sollen drei Prototypen dieser neuartigen Windräder entstehen. Eine davon wird an der Hochschule selbst aufgestellt, zwei weitere erhalten Partner des Projekts in den Niederlanden. Bis zu einer richtigen Serienfertigung ist der Weg noch weit.