Die steigenden Anteile von Solar- und Windkraft an der Stromerzeugung sorgen für Probleme. Bei idealen Bedingungen findet sich für die enormen Mengen kaum ein Abnehmer, bei ungünstigen Wetterlagen liefern die Anlagen hingegen kaum Strom.
Als Ausgleich für diese Schwankungen wird auf Speicher gesetzt. Anschlussanfragen für 226 Gigawatt liegen der Bundesnetzagentur vor. Doch wie viele davon letztlich tatsächlich installiert und ans Netz angeschlossen werden, ist unklar. Die Beamten der Agentur setzen nicht zuletzt aus diesem Grund auf eine unkonventionelle Lösung. Künftig könnten Elektroautos einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Energieversorgung leisten. Denn im Prinzip rollt schon jetzt ein riesiger Akku über Deutschlands Straßen – und der wächst Monat für Monat weiter.
Strom vom E-Auto ins Netz
Um diese bisher kaum genutzten Kapazitäten zu erschließen, hat die Bundesnetzagentur nun Entwürfe zur sogenannten Festlegung „Marktintegration Speicher und Ladepunkte“ (MiSpeL) veröffentlicht. Mit diesem Schritt setzen die Behörden auf eine entscheidende Änderung. E-Autos dürfen künftig Strom ins öffentliche Netz einspeisen – was auch als Vehicle-to-Grid (V2G) bezeichnet wird.
Wer bislang Energie aus dem Akku eines E-Autos nutzen wollte, konnte dies nur, wenn das Hausnetz vom öffentlichen Netz getrennt betrieben wurde. Diese Methode wird als Vehicle-to-Home (V2H) bezeichnet.
Mit der neuen Festlegung werden außerdem eine Reihe strittiger Fragen geklärt – etwa im Hinblick auf Förderungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Diese werden demnach auch bei gemischtem Strom für den Anteil des „grün“ erzeugten Stroms gezahlt. Auch die Umlagen, die nach dem Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) für das Einspeisen von Strom anfallen, hat man angepasst.
Der Akku des Autos ist nicht das Problem
Allerdings ist die Festlegung zunächst nur ein Papier. In der Praxis müssen zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein, um den Akku eines E-Autos als temporären Netzspeicher zu nutzen. Und das betrifft nicht nur das Fahrzeug selbst: Auch die Wallbox und das Energiemanagementsystem müssen das bidirektionale Laden unterstützen.
Bisher ist das Angebot auf dem Markt in diesem Bereich begrenzt. Die Volkswagen-Gruppe bietet die Technologie bei Elektromodellen mit einer Akkugröße ab 77 kWh an – und verlangt selbst für V2H bereits eine spezielle Wallbox. Daneben gehören etwa der Polestar 3, der Volvo EX90 sowie der Hyundai Ioniq 5 und 6 zu den Vorreitern.
Immerhin zeigen diese Beispiele, dass die Sorge um eine begrenzte Lebensdauer der Energiespeicher unbegründet ist. Die Hersteller können die Beladung mittlerweile so steuern, dass sie nur begrenzte Effekte auf den Alterungsprozess hat. VW etwa gewährt auch dann die volle Garantie auf den Akku, wenn dieser als stationärer Speicher zur Versorgung des Hauses genutzt wird.
Auch die RWTH Aachen zeigte in einer im Juli veröffentlichten Studie, dass die Auswirkungen des bidirektionalen Ladens auf den Speicher im Auto gering sind. Demnach beträgt der Leistungsverlust des Energiespeichers nach einer zehnjährigen V2G-Nutzung lediglich zwischen 1,7 und 5,8 Prozent. Praktisch bedeutet das – nach WLTP-Standard – eine um 5,9 bis 31 Kilometer verkürzte Reichweite.
Noch längst nicht alle Voraussetzungen erfüllt
Bis tatsächlich Strom aus dem E-Auto-Akku ins öffentliche Netz fließen kann, fehlt es allerdings noch an anderer Stelle. Wer den Strom seiner Solaranlage in dunklen Zeiten anderen zur Verfügung stellt, erwartet auch eine entsprechende Vergütung. Dafür wird jedoch ein Stromzähler benötigt, der die vom Auto ins Netz eingespeiste Energie genau erfasst. In einer Einschätzung vom August rechnet die EnBW jedoch erst ab 2027 oder 2028 mit der flächendeckenden Einführung dieser intelligenten Zähler.