Renault Kangoo E-Tech Electric offenbart im Test viel Potenzial

6 Minuten
Hochdachkombis sind nicht nur für Gewerbekunden ideal geeignet, um Waren zu transportieren, sondern auch für Familien. Ihr geräumiger Innenraum bietet schließlich viel Stauraum. Ganz neu am Markt ist der Renault Kangoo E-Tech Electric. Wir haben eine erste Testfahrt mit dem E-Auto unternommen.
Renault Kangoo E-Tech Electric bei der offiziellen Vorstellung für den deutschen Markt.
Wie fährt sich der Renault Kangoo E-Tech Electric? Ein erster Test offenbart Stärken und Schwächen.Bildquelle: Hayo Lücke / inside digital

Vorgestellt wurde der Renault Kangoo E-Tech Electric (2023) schon im Oktober vergangenen Jahres. Jetzt präsentierte ihn der französische Automobilkonzern vor den Toren von Bonn offiziell für den deutschen Markt. Wir hatten in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eine erste Testfahrt zu unternehmen. Umfangreiche Analysen zum Verbrauch des Stromers konnten wir auf unserer rund eineinhalbstündigen Testfahrt zwar nicht vornehmen, aber zumindest ermitteln, dass er auf der Landstraße bei 20 bis 21 kWh pro 100 Kilometern liegt. Schaltet man die stärkste der drei verfügbaren Stufen zur Rekuperation oder auch den Eco-Modus ein, sind Werte zwischen 18 und 19 kWh realistisch.

Renault Kangoo E-Tech Electric: Viel Platz! Aber…

Die vielleicht wichtigste Botschaft vorweg: Der Renault Kangoo E-Tech Electric ist wie gemacht für entspannte Familienausflüge. Denn der große Kofferraum des Elektroautos bietet ein Volumen zwischen 850 und 2.500 Litern. Das gestattet das Unterbringen von reichlich Gepäck. Insgesamt ist etwa über die riesige Heckklappe eine Zuladung von bis zu 500 Kilogramm möglich, verspricht der Hersteller. Allerdings sollten in der zweiten Sitzreihe nicht zu große Menschen Platz nehmen. Denn der Fußboden ist beim Kangoo E-Tech Electric an dieser Stelle aufgrund der dort verbauten Batterie leicht erhöht. Hinzu kommt: Wenn Fahrer und / oder Beifahrer mit ihren Sitzen zu weit nach hinten rücken, bleibt für die Knie der Passagiere im Fond kein Platz mehr. Und das, obwohl sich auch die zweite Sitzreihe manuell nach vorn und hinten verstellen lässt.

Motorraum des Renault Kangoo E-Tech Electric.
Im Motorraum des elektrifizierten Kangoo ist kein zusätzlicher Stauraum zu finden.
Geöfffnete Heckklappe am Renault Kangoo E-Tech Electric.
Geöfffnete Heckklappe am Renault Kangoo E-Tech Electric.

Das Fahrgefühl? Angenehm! Denn der Renault Kangoo E-Tech Electric rumpelt zwar verhältnismäßig straff abgestimmt über Bahnübergänge, rollt dafür aber inklusive serienmäßiger 2-Zonen-Klimaautomatik angenehm ruhig und wohltemperiert über die Straßen. Trotz der drei verfügbaren Rekuperationsstufen ist das von vielen Fahrern als sehr angenehm empfundene 1-Pedal-Fahren aber nicht möglich. Dafür aber autonomes Fahren über die Geschwindigkeitsregelanlage auf Basis von Level 2. Heißt: Das Fahrzeug hält nach entsprechender Aktivierung nicht nur die eingestellte Geschwindigkeit, sondern automatisch auch immer ausreichend Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Der Tempomat lässt sich bei freier Fahrt manuell in 1- und 10-km/h-Schritten über das Multifunktionslenkrad einstellen, die Anzahl der Fahrassistenzsysteme liegt abhängig von der gewählten Ausstattung bei bis zu 14.

Renault Kangoo E-Tech Electric: Der zahme Stromer

Zur Wahrheit gehört aber auch: Für Menschen, die sich die volle Dynamik der E-Mobilität wünschen, ist der neue Hochdachkombi von Renault eher nicht die richtige Wahl. Denn die maximale Leistung von 90 kW (122 PS) bei einem maximalen Drehmoment von 245 Nm sorgt für eine eher gemächliche Beschleunigung. Von 0 auf 100 km/h müssen laut Hersteller 12,6 Sekunden vergehen. Stark: 1.500 Kilogramm gebremste und 750 Kilogramm ungebremste Anhängelast.

Im Test zeigte sich: Tritt man als Fahrer das Gaspedal kräftig durch, fällt die Beschleunigung überraschend dezent aus. Den bei vielen E-Autos typischen „Kick“ bei der Beschleunigung nimmt man im elektrifizierten Kangoo nicht wahr. Zudem ist die Höchstgeschwindigkeit bei 132 km/h elektronisch abgeregelt und es steht wie eingangs erwähnt auch nur ein weiter Fahrmodus zur Verfügung: Eco. Er reduziert die maximal verfügbare Leistung auf 75 kW für eine im Gegenzug höhere Reichweite.

Seitenansicht des Renault Kangoo Electric mit geschlossenen Türen.
Hochdachkombi, wie er im Buche steht: der Renault Kangoo E-Tech Electric.
Geöffnete Seitentür am Renault Kangoo E-Tech Electric.
Die Schiebetüren des elektrifizierten Renault Kangoo öffnen um mehr als 60 Zentimeter.

Die Reichweite? Ein Problem – auf der Langstrecke

Apropos Reichweite: Wenn wir eingangs davon sprachen, dass der Renault Kangoo E-Tech Electric (2023) das perfekte Familienauto ist, gilt das nicht uneingeschränkt. Denn auf der Langstrecke stellt der knapp 4,5 Meter lange, rund 1,9 Meter breite und etwa 1,8 Meter hohe Stromer seine Besitzer vor Herausforderungen. Die WLTP-Reichweite gibt Renault nämlich mit nur 285 Kilometern an. Das liegt daran, dass eine vergleichsweise kleine Batterie (45 kWh mit acht Jahren Garantie bis 160.000 Kilometer) verbaut ist. Im Winter soll die Reichweite unter realen Bedingungen sogar nur bei etwa 210 Kilometern liegen.

Mehr noch: Eine Wiederaufladung des Fünfsitzers mit Frontantrieb ist zwar an AC-Ladesäulen je nach gewählter Modellvariante mit bis zu 22 kW möglich, an Gleichstrom-Schnellladesäulen aber auch nur mit maximal 80 kW; unter optimalen Bedingungen versteht sich. Renault bleibt hier deutlich hinter anderen Elektroautos zurück, die heute schon Ladeleistungen jenseits von 100 kW oder auf Basis von 800-Volt-Technik sogar mit mehr als 200 kW ermöglichen. Man muss auf längeren Fahrten im Kangoo E-Tech an die Küste, in die Berge oder zu einem anderen Ferienziel also nicht nur mehr Ladestopps einplanen, sondern auch längere.

Was kostet der Renault Kangoo E-Tech Electric (2023)?

Voraussichtlich ab Mai wird es möglich sein, den neuen Renault Kangoo E-Tech Electric (2023) bei Händlern vor Ort zu besichtigen. Dann kann sich jeder Interessent selbst von den Vorteilen der beiden serienmäßigen Schiebetüren an der rechten und linken Seite sowie der um bis zu 90 Grad zu öffnenden Beifahrertür überzeugen. Der Grundpreis für den Kombivan liegt bei 39.300 Euro. Dann aber nur mit 11 kW starkem On-Board-Charger.

Wer sich bis zu 22 kW (AC) und 80 kW DC-Ladeleistung inklusive einer dann auch verbauten Wärmepumpe wünscht, muss mindestens 40.800 Euro einkalkulieren. Im hochwertigen Techno-Paket, das unter anderem einen 8 Zoll großen Touchscreen, zusätzliche Einparkhilfe vorne und an den Seiten sowie Dachreling inklusive Dachträger beinhaltet, werden mindestens 43.500 Euro fällig. Davon kann man aber noch den Umweltbonus in Höhe von bis zu 6.750 Euro abziehen

Touchscreen im Renault Kangoo E-Tech Electric.
Den 8 Zoll großen Touchscreen gibt es im Renault Kangoo E-Tech Electric nur gegen Auspreis.

Fazit: Eine größere Batterie würde vieles besser machen – aber auch teurer

In Summe sind die von Renault aufgerufenen Preise viel Geld für ein Elektroauto, das zwar extrem geräumig ist, aber vergleichsweise wenig Leistung und eine recht geringe Reichweite bietet. Die Option, den Wagen gegen Aufpreis auch mit einer größeren Batterie kaufen zu können, würde die eine oder andere Sorge beseitigen. Sie würde das E-Auto aber auch noch teurer machen.

Andererseits ermöglicht der Stromer seiner angesprochenen Zielgruppe exakt das, was sie sich wünscht. Komfortables Fahren im Stadt- und Regionalverkehr. Und das ohne (zu) große Kompromisse und zudem im Innenraum mit vielen zusätzlichen Staumöglichkeiten. So findet sich nicht nur hinter dem Lenkrad ein praktisches Staufach mit zwei verbauten USB-Anschlüssen, sondern zum Beispiel auch eines unter dem Dach über den Köpfen von Fahrer und Beifahrer. Und das Handschuhfach öffnet sich ab dem Ausstattungspaket Techno (oder gegen 250 Euro Aufpreis) als praktische, tiefe Schublade.

Renault Kangoo E-Tech Electric mit der Sicht auf das Dach.
Auch von oben betrachtet, werden die hohen Abmessungen des Renault Kangoo E-Tech Electric deutlich.

Trotzdem muss man sich den Renault Kangoo E-Tech Electric nicht nur leisten können, sondern auch leisten wollen. Denn der vergleichbare Hochdachkombi mit Verbrennungsmotor ist ungleich günstiger. Er ist nämlich schon ab 25.950 Euro zu haben und für manche Familie sicher die erschwinglichere Variante.

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3 KOMMENTARE

  1. Nutzerbild Karsten Frei

    ….Ladeleistungen jenseits von 100 kW oder auf Basis von 800-Volt-Technik sogar mit mehr als 200 kW ermöglichen….

    Da fließen ja Ströme von 250 A. Dafür sind Kabel mit Querschnitt von über 95 mm² pro Ader nötig. Bei zwei Adern, sind es an die 2,5 kg pro Meter.
    Und was da an Kupfer für Zuleitungen verbraucht wird, ist nur schwer vorzustellen.
    Nur als Vergleich, der Hausanschluss im EFH ist für 63 A ausgelegt.
    Ist schon krass, was bei der Sache, an Ressourcen verschwendet wird.

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    • Nutzerbild D.

      Dafür sind die Kabel aber erstaunlich leicht 😉

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  2. Nutzerbild U.G.

    und dann die ganzen Kabel im Auto selbst ne ne ne. Mensch das ganze Leben besteht aus Verschwendung. Wir sollten wieder in die Steinzeit zurück, da war alles besser!

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