SIM-Karten: Ab 1. Juli besteht Ausweispflicht

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Wer in Deutschland eine SIM-Karte kaufen möchte, muss sich ab dem 1. Juli 2017 für die Aktivierung der Karte ausweisen. Diese Gesetzesänderung soll anonyme Kommunikation erschweren. Die Redaktion von inside-digital.de verrät, was die rechtliche Neuerung für Verbraucher, Händler und Mobilfunkanbieter bedeutet.
Anonyme SIM-Karten sind ab sofort verboten
Bildquelle: Pixabay

In Deutschland ist jeder dritte Mobilfunkanschluss eine Guthaben-Karte. Mindestens zwei Vorteile zu Handy-Verträgen mit langer Laufzeit liegen dabei auf der Hand: Kostenkontrolle und unkomplizierte Wechsel zu einem anderen Anbieter. Doch der beliebte Prepaid-Markt dürfte durch die Gesetzeserneuerung mit neuen Hürden zu kämpfen haben.

Darum die gesetzliche Neuerung

Die terroristischen Anschläge von Brüssel, Paris, Berlin, London und Manchester sind in ihrer Form auch deshalb möglich gewesen, weil die Attentäter unter anderem anonym über Prepaid-Karten miteinander kommunizieren konnten. Um dem einen Riegel vorzuschieben, hat die Bundesregierung bereits im Sommer 2016 ein Gesetz verabschiedet, nach welchem in Deutschland keine Mobilfunkkarte mehr ohne Identitätsüberprüfung des Käufers durch einen gültigen Ausweis aktiviert werden darf.

Ein Gesetz gegen Anonymität im Mobilnetz

Paragraph 111 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sieht demnächst vor, dass alle Käufer einer SIM-Karte unter anderem mit Namen, Anschrift und Geburtsdatum registriert werden. Diese zwingende Identitätsüberprüfung begründet der Gesetzgeber mit einer hohen Anzahl lücken- und fehlerhafter Datensätze. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erklärte gegenüber der Redaktion von inside-digital.de, Stichproben hätten Unzulänglichkeiten ergeben: „Stichprobenuntersuchungen der Bundesnetzagentur haben im Segment der im Voraus bezahlten Mobilfunkdienste eine enorme Anzahl offensichtlich fehlerhafter Datensätze in Kundendatenbanken […] ergeben. Es liegen zahlreiche Hinweise auf automatische und händisch eingetragene systematische Generierungen von fiktiven Angaben vor.“

Im TKG § 111 Daten für Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden heißt es im Wortlaut:

„Bei im Voraus bezahlten Mobilfunkdiensten ist die Richtigkeit der nach Satz 1 erhobenen Daten vor der Freischaltung zu überprüfen durch

  1. Vorlage eines Ausweises im Sinne des § 2 Absatz 1 des Personalausweisgesetzes,
  2. Vorlage eines Passes im Sinne des § 1 Absatz 2 des Passgesetzes,
  3. Vorlage eines sonstigen gültigen amtlichen Ausweises, der ein Lichtbild des Inhabers enthält […]
  4. Vorlage eines Aufenthaltstitels,
  5. Vorlage eines Ankunftsnachweises nach § 63a Absatz 1 des Asylgesetzes oder einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach § 63 Absatz 1 des Asylgesetzes,
  6. Vorlage einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes oder
  7. Vorlage eines Auszugs aus dem Handels- oder Genossenschaftsregister oder einem vergleichbaren amtlichen Register oder Verzeichnis […].“

In einem Atemzug mit der Neuerung des § 111 wurden auch die Paragraphen 149 und 150 TKG angepasst. Die in § 149 aufgeführten Bußgeldvorschriften sehen nun eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn Daten nicht vollständig gespeichert, berichtigt oder überprüft werden. Paragraph 150 bestimmt die nachträgliche Erhebung aller persönlichen Daten bei SIM-Verträgen, die nach dem 22. Juni 2004 abgeschlossen wurden.

Was sich für den Nutzer ändert

Mal eben den nächsten Handy-Shop in der Einkaufsstraße ansteuern und eine neue, aktive Prepaid-SIM-Karte kaufen, das ist ab dem 1. Juli 2017 nicht mehr so schnell möglich. Möchte ein Handy-Nutzer durch den Kauf einer neuen SIM-Karte zu einem günstigeren Tarif wechseln, muss er künftig etwas mehr Zeit mitbringen und vorbereitet sein. Das Personal im Geschäft wird die Käuferdaten aufnehmen und den Kunden registrieren, bevor die SIM aktiviert werden darf. Wer also den Wechsel zu einem neuen Anbieter plant, darf den Personalausweis oder Reisepass nicht vergessen.

So sieht der neue Personalausweis aus
Bildquelle: Bundesministerium des Innern

So zumindest im Shop aller bekannten Mobilfunkanbieter. Oft ist der Kauf einer Prepaid-Karte aber einer günstigen Gelegenheit geschuldet, frei nach dem Motto „Ich muss eh noch tanken“ oder „Ach, die nehme ich beim Supermarkt schnell noch mit“. Der Extra-Gang zum Prepaid-Anbieter ist da unpraktisch. Händler wie Lebensmittel-Discounter werden den Aufwand einer Identitätsüberprüfung vor Ort allerdings scheuen. Hier muss sich der Smartphone-Nutzer auf eine Registrierung nach dem Kauf einstellen, beispielsweise online über die Internetseiten der jeweiligen Anbieter.

Wo bleibt der Datenschutz?

Verbraucherschützer kritisieren die Erfassung sensibler Kundendaten. Das BMWi beruhigt auf Nachfrage von inside-digital mit der Aussage, dass „den Erbringern der Telekommunikationsdienste […] die Datenabrufe nicht zur Kenntnis [gelangen], dies ist durch technische und organisatorische Maßnahmen sichergestellt.“ Außerdem seien „nicht benötigte Daten […] von den Sicherheitsbehörden unverzüglich zu löschen.“

Tipps für die nachträgliche Aktivierung

Smartphone-Nutzer können den unkomplizierten Weg wählen und in der nächsten Mobilfunkanbieter-Filiale eine Prepaid-Karte erwerben. Einzelhändler wie Drogeriemärkte, Lebensmittel-Discounter oder Tankstellen müssen allerdings auf die Möglichkeit der nachträglichen Aktivierung der SIM-Karte bauen, da die Datenerfassung vor Ort oft nicht unmittelbar realisierbar ist. Hier sind für den Nutzer zwei Verfahren möglich: der Gang zur Postfiliale, wo ein Mitarbeiter die Identität überprüft (PostIdent) oder eine Online-Identifikation per Video-Chat (Video-Ident).
Da der Kauf einer SIM-Karte nicht der erste Anwendungsfall ist, bei dem Identifikationsverfahren benötigt werden, muss die Branche das Rad nicht neu erfinden, um den Ansprüchen des Gesetzgebers gerecht zu werden. Seit Jahren ist es über Video-Ident beispielsweise möglich, online ein Bankkonto zu eröffnen. WebID bietet als Erfinder und Patentinhaber des Video-Ident-Verfahrens nur als eine von vielen Firmen rechtlich sichere Online-Vertragsabschlüsse und Identifikationsmöglichkeiten an.

Video-Ident funktioniert schnell und einfach. Benötigt wird ein Computer oder Smartphone mit stabiler Internetverbindung, Mikrofon und guter Kamera. Falls man die Identifikation per Smartphone durchführen möchte, muss man zuerst die App des Dienstleisters herunterladen, zum Beispiel WebID oder PostIdent. Am PC geschieht das Ganze im Browser. In einem kurzen Video-Chat fotografiert ein Mitarbeiter den Nutzer über dessen Kamera sowie beide Seiten des Personalausweises und überprüft, ob dieser die notwendigen Kippbilder aufweist. Die Daten übermittelt er seinem Auftraggeber, dem Mobilfunkanbieter.

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Mobilfunkanbieter sind vorbereitet…

Die aufwendige Direkt-Aktivierung mit erforderlicher Identitätsüberprüfung des Kunden vor Ort wird sich ausschließlich als Service der Mobilfunkanbieter etablieren. Auf Anfrage der Redaktion haben sowohl die Deutsche Telekom, Telefónica Deutschland (O2) als auch Vodafone bestätigt, ihre Mitarbeiter diesbezüglich bereits zu schulen. Vodafone unterstreicht dabei, dass „die Schwerpunkte […] auf der Erkennung von Ausweisfälschungen und Verfälschungen von Dokumenten [liegen]“. Die Mobilfunkanbieter setzen zusätzlich auf nachträgliche Identifizierungsverfahren, um Kunden einen breit aufgestellten Service anbieten zu können. Die Telekom stellt dabei klar, dass die Vorbereitungen für einen reibungslosen Ablauf ab dem 1. Juli bereits im vollen Gange sind: „Für den Vertrieb über das Internet bieten wir seit März bereits das VideoIdent-Verfahren, das Kunden auch von Banken kennen. Die Rückmeldungen dazu sind positiv.“ Weiter heißt es: „Wir nutzen […] das VideoIdent-Verfahren von PurpleView.“ Telefónica Deutschland unterstreicht das firmeninterne Ziel, „dass der eigentliche Aktivierungsprozess nur wenige Minuten dauert“, wird die Partner rund um den Identifizierungsprozess aber erst in den kommenden Wochen vorstellen.

Betrugsversuche versucht Vodafone durch einen zweiten Check zu umgehen. Jeder neue Prepaid-Kunde erhält einen Welcome-Letter. „Ist der Welcome-Letter unzustellbar oder teilt der Empfänger mit, dass er den fraglichen Prepaid-Vertrag nicht geschlossen hat, wird die Karte deaktiviert.“

… Discounter auch?

Welche Lösung SIM-Karten-Anbieter wie Discounter und andere Händler für die Registrierung und Identitätsprüfung anbieten, hängt in erster Linie von den Mobilfunkanbietern ab. Auf Anfrage von inside-digital bezieht sich Lidl daher auf die Leistungen des Partners Vodafone. Lidl gibt als Verfahren „Standard-Adressvalidierungsverfahren und Welcome-Letter in Kombination mit der Überprüfung hieraus resultierender Postrückläufer“ an, kann also mit einem konkreten Vorgehen aufwarten. Nur vier Wochen vor Gesetzeseinführung sieht es beim Konkurrenten Aldi anders aus: „Die gesetzlichen Anforderungen des §111 TKG nehmen wir sehr ernst und werden diese entsprechend umsetzen. Wir überprüfen derzeit unterschiedliche Angebote, aus denen unsere Neukunden beliebig wählen können. Bitte haben Sie daher dafür Verständnis, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine konkreten Auskünfte über geplante Modelle geben und noch keine weiteren Angaben machen möchten.“ Der Kunde darf gespannt sein. Ein Tipp: Wenn Aldi und andere in den nächsten Wochen keine entsprechende Erklärung an die Hand geben, hilft der Blick auf die Verpackung der neuen Handy-Karte. Die Hersteller selbst beschreiben hier die möglichen nachträglichen Ident-Verfahren.

Überwachung vs. Sicherheit

Die gesetzliche Ausweispflicht kann einen ärgern, werden doch einmal mehr sensible Daten aufgenommen und gespeichert. Der Schutz für die Bevölkerung, der von dieser Maßnahme ausgehen soll, kann aber auch beruhigen.

Der Aspekt der Sicherheit steht für den Gesetzgeber dabei an erster Stelle, wie das Bundeskriminalamt gegenüber der Redaktion verstanden wissen will: „Um die Identität der Nutzer zu verschleiern und ihre Aktivitäten im Verborgenen zu halten, wurden häufig nicht-registrierte beziehungsweise mit Falschpersonalien registrierte Prepaid-Mobilfunknummern genutzt. Dadurch wurden weitere kriminalpolizeiliche Maßnahmen erheblich erschwert.“

Echte Kritik gegenüber dieser Einschätzung wird innerhalb der von der Redaktion geführten Interviews weder von Mobilfunkanbietern noch Händlern laut. Die dazu Stellung nehmenden Gesprächspartner sind sich jedoch einig, dass neben Deutschland alle europäischen Länder entsprechende Gesetzesänderungen vornehmen sollten. Vodafone wird sogar recht deutlich: „Da nach wie vor Roaming mit ausländischen SIM-Karten in Deutschland möglich sein wird, ist die Eindämmung potentieller Gefahren mindestens fraglich.“ Das Bundeskriminalamt formuliert dagegen versöhnlicher: „Nicht nur in Deutschland ist das Erfordernis einer Identifikations- und Verifikationspflicht erkannt worden. Einige europäische Länder haben ebenfalls gesetzliche Änderungen vorgenommen. Je mehr Staaten sich dieser Entwicklung anschließen und die Identitätsprüfung gesetzlich verankern, desto wirksamer wird die Maßnahme.“

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