Die vernetzte, smarte Küche – warum Smart Home nur Wunschdenken ist

6 Minuten
Der Begriff "smart" kommt aus dem Englischen und steht für intelligent, gewitzt oder schlau. Warum aber die smarten Küchen, die wir auf der IFA in Berlin gesehen haben, alles sind, aber nicht smart, erfährst du hier.
Smarte Küche von Siemens
Bildquelle: Siemens

Vor etwas mehr als einem Jahr stand bei mir privat der Kauf einer komplett neuen Küche an. Schnell wurde mir schon beim Rundgang auf der IFA im vergangenen Jahr klar: So affin ich auch für Technik bin – eine wirklich smarte Küche wird es nicht werden. Der Grund: Jeder Hersteller kocht sein eigenes Süppchen, um mal mit dem Wortspiel in der Küche zu bleiben. Und mal ehrlich – wer kauft sich Herd, Backofen, Geschirrspüler, Dunstabzugshaube, Kühlschrank und vielleicht sogar noch Waschmaschine und Trockner vom selben Hersteller? Mal ganz abgesehen von den Kosten.

Wer kauft sich alle Geräte von einem Hersteller?

Die Regel ist doch eher: Den Backofen kauft man sich bei einem Hersteller wie Siemens, den Kühlschrank vielleicht von Samsung oder Liebherr, die Dunstabzugshaube ist je nach persönlicher Einstellung notwendiges Übel oder Designerware – aber zumeist nicht smart. Und wer eine vernünftige Waschmaschine haben will, landet schnell bei Miele. Sind nun alle vier genannten Geräte „smart“, so habe ich vier Apps auf dem Handy. Das heißt aber nicht, dass der Backofen oder Herd der Dunstabzugshaube sagt, dass sie bitte an- oder ausgehen soll. Es heißt auch nicht, dass der Kühlschrank in einen Urlaubsmodus geht, wenn ich meinem Smart-Home-System sage, dass ich längere Zeit weg bin. Es heißt höchstens, dass ich maximal genervt bin, weil ich regelmäßig die falsche App nutze – solange man das denn noch tut.

Da sich der Einbau der Küche noch verzögert hat und ich viele Elektrogeräte nicht mit bestellt hatte, war mein Hoffnung „Mit der IFA 2019 wird alles besser“. Immerhin ist das Thema Smart Home mittlerweile in der breiten Masse angekommen – nicht zuletzt aufgrund eines ökologischen Umdenkens. Und in der Tat scheint es, als wenn vieles besser geworden ist. Ein kleiner Rundgang durch die Küchenhersteller-Hallen auf der IFA.

Smart Kitchen: Ein kleiner IFA-Rundgang

Bei den Schwestermarken Bosch und Siemens (BSH) sehe ich eine große Tafel mit Dritt-Anbieter-Systemen, mit denen sich die BSH-Geräte verbinden lassen. Das freut den Technik-Redakteur. Die Geräte scheinen sich also immerhin mit zahlreichen sogenannten Third-Party-Systemen verbinden zu lassen, wie sie viele Smart-Home-Anwender zu Hause stehen haben. Wir kommen darauf zurück.

Auch Samsung SmartThings ist ein teiloffenes System, in dem einige externe Komponenten wir Philipps Hue aber natürlich auch die eigenen Küchengeräte eingebunden werden können. Wirklich smart ist dabei vor allem der Samsung Family Hub, der Kühlschrank, der als Smart-Home-Zentrale dienen soll. Der Preis ist allerdings weniger smart. Andere Küchenhersteller will man bei Samsung im eigenen System aber wohl eher nicht sehen.

Kamera im Kühlschrank
Kamera im Kühlschrank – ein Teil von Smart Home

Und Miele? Bei den smarten Geräten frage ich per Alexa, wann mein Geschirrspüler fertig und ob der Kühlschrank offen ist. Wirklich smart fühlt sich das nicht an. Zum Zumachen muss ich dann doch selber aufstehen. Immerhin, so sagt mir eine Mitarbeiterin im Messestand, könne man Miele mit Conrad Connect und der Smart-Home-Anwendung von Busch Jäger verbinden. Beides nicht wirklich Mainstream-Systeme. Erst im Nachgang stellt sich heraus, dass Miele offenbar auch mit der Telekom kooperiert. Einen Stand weiter bei den Kühlschränken von Liebherr verlässt man sich lieber auf IFTTT – einen Third-Party-Dienst, der sich eher an Digital-Nerds als an den durchschnittlichen Verbraucher wendet.

Kommen wir noch einmal zurück zu Siemens. Magenta Smart Home, digitalStrom, iHaus, Conrad Connect oder innogy – diese Systeme bewirbt Siemens auf der IFA als Partner. Das interessiert mich und ich schaue in der Kompatibilitätsliste der Telekom nach, ob mein künftiger Backofen auch wirklich dabei ist. Doch Überraschung: Backöfen von Siemens tauchen gar nicht in der Liste auf. Und bei Siemens auf der Webseite steht auf der eigentlichen Home-Connect-Seite nicht einmal die Telekom als Partner. Dabei sei das alles kein Problem, versicherte man mir am Stand. Ich müsse nur darauf achten, dass mein Siemens-Gerät mit Home Connect ausgestattet ist. Jetzt bin ich maximal verunsichert.

Ein Appell an Hersteller und Plattformen

So, liebe Küchen-Geräte-Hersteller, wird das nichts mit dem Smart Home oder besser der smarten Küche. Tut euch selbst und euren Kunden zwei wesentliche Gefallen: Werdet transparenter, was mit welchem Gerät möglich ist – und auch was nicht. Öffnet euch für Smart-Home-Plattformen. Und vor allen und bei allem Mitbewerb: Hört auf mit dem Revierdenken. Nur weil ein Kunde euren Kühlschrank kauft, heißt das nicht, dass er auch euren Backofen kaufen wird. Da hilft es auch nicht zu verbieten, dass die Geräte digital miteinander arbeiten. Kunden denken anders.

Sicherlich: Ich werde niemals über ein Third-Party-System alle Funktionen bekommen, die die Original-App des Herstellers wirklich kann. Dass die Telekom das Aufbacken von Tiefkühlbrötchen für einen Backofen bei sich im System integriert, ist nun wirklich nicht zu erwarten. Und eine Kamera im Kühlschrank macht noch kein Smart Home. Wohl aber wäre es wünschenswert, dass meine Hue-Leuchten blinken, wenn der Ofen fertig ist oder dass ich eine Push-Nachricht auf das Smartphone bekomme, wenn ich den Kühlschrank aufgelassen habe. Und das möchte der Kunde sicherlich lieber in einem zentralen System machen, statt an zehn Baustellen zu schrauben.

Fazit der smarten Küchen der IFA 2019: Von einer wirklich schlauen Küche sind wir noch weit entfernt – doch es tut sich etwas. Das macht Hoffnung. Wer sich jetzt neue Geräte kaufen will oder muss, dem sei gesagt: Mach deine Entscheidung nicht davon abhängig, ob die Geräte miteinander sprechen. Wenn überhaupt, dann achte darauf, dass die Geräte in Richtung der Smart-Home-Plattformen möglichst offen sind. Und nimm IFTTT nur, wenn du dir die Bedienung zutraust.

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4 KOMMENTARE

  1. Nutzerbild Manfred Schuermann alias Key B. Hacker

    Nicht weit von hier kann man nicht nur ein Smart Home, sondern ein komplettes Smart Haus besichtigen. Teuer, teuer, teuer und selbst für wohlhabende Komfort-Liebhaber eher unerschwinglich. Als Hochschul-Projekt zu Lasten der Steuerzahler natürlich exklusiv und piekfein ausgestattet.
         Das „Handling“ dieses Hauses verlangt quasi so etwas wie einen Führerschein. Und die Abhängigkeit von ununterbrochener Stromversorgung ist eher fatal bis unzumutbar. „Strom weg = Haus weg“ dürfte eine passende Gleichung sein. „Rien va plus!“ verurteilt dann zu quälender Hilflosigkeit. Es sei denn, man hat in jedem Raum zumindest eine funktionierende Taschenlampe parat, die sich dann auch auf Anhieb finden lässt. – Nur wer mit Alexa anfängt und damit auch aufhört, sich zu verstrahlen, dürfte noch vertretbar handeln.
    – mlskbh –

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  2. Nutzerbild Bernhard Feder

    Ich habe jetzt so einige Jahrzehnte auf den Buckel und kann mich nicht erinnern den Kühlschrank aufgelassen zu haben. Beim Aufbacken klingelt die Eieruhr. Was ich damit sagen will, der echte (nicht vermeintliche) Mehrwert des Smarthome, oder auch nur SmartKitchen, erschließt sich mir nicht.
    Vielleicht kommen die Hersteller irgendwann mit Funktionen, bei denen ich denke „Ey, das ist ja praktisch“. Ich wüsste heute aber nicht, was das sein sollte.

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  3. Nutzerbild Stephan Eder

    Ich denke das die Küche ein besonderer Ort ist.
    Ob man hier das letzte Quäntchen an Vernetzung braucht, bleibt Fraglich.
    Wichtiger wäre in der Küche dann die Luftqualität.
    Und die lässt sich vollkommen Autonom mit Luftgüte-Sensoren und einer effizienten Dunstabzugshaube/Küchenlüftung realisieren.
    Das kann und sollte Unabhängig vom Rest der smarten Küche passieren.

    Die Frage die bleibt,
    wer kann denn noch nach Marken kaufen und nicht nach Preis?

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  4. Nutzerbild Hans Modelbacher

    Kann mich den Vorpostern nur anschließen: Wo ist der ECHTE Mehrwert ?
    Wer bringt mir das Bier aus dem Kühlschrank ? Wenn die Waschmaschine fertig ist reicht doch ein Piepsen der Maschine selber, wozu braucht ich da eine App ?
    Ich muß ja doch aufstehen und die Wasche rausräumen.
    Genauso am Backofen. Wenn das Essen fertig ist, muß ich aufstehen und es rausnehmen.
    Liebe Hersteller, euch fehlen als „Zwischenglied“ Haushaltsroboter, die uns diese Handgriffe abnehmen. Aber die gibt es nicht und wird es NIE geben…
    Warum ? Weil auch hier die besten Akkus (im Verhältnis zu Größe) einfach die nötige Power nicht bringen. Es gibt mittlerweile Roboter, die können vieles, sogar Treppensteigen, aber die Rechenleistung KOSTET „FETT“ Strom. Und der Akku gibt das nicht her.
    Zum Glück ! So ist und bleibt es wie es war…ein paar „smarte“ Maschinen mal wieder als „Technikspielkram“ für Leute die zuviel Geld haben, der Rest kauft gute Markenware ohne den ganzen Quatsch !

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