Ein Auto per 5G-Netz fahren: Ein Selbstversuch

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Dass hinterm Steuer eines Autos oder LKW immer ein Fahrer sitzt, wenn dieser von A nach B fährt, wird bald nicht mehr notwendig sein. Schon heute ist das technisch möglich. Unser Redakteur Thorsten Neuhetzki hat den Selbstversuch gemacht und hat ein Auto über das 5G-Netz der Telekom gesteuert.
Dieses Auto lässt sich per 5G steuern
Dieses Auto lässt sich per 5G steuernBildquelle: Telekom

Zugegeben: Wenn bei mir Pressemitteilungen zu autonomen oder teleoperiertem Fahren ins Postfach kommen, ist es nicht das erste, woran ich mich an einem Arbeitstag kümmere. Zumindest bislang war das so, denn ich habe das Thema als höchst theoretisch betrachtet und weit weg gesehen. Und offen gestanden hat sich mir auch der Sinn nicht erschlossen, warum es sinnvoller sein kann, ein Auto aus der Ferne zu steuern, statt selbst hinterm Steuer zu setzen. Doch ein Showcase der Telekom und Mira auf dem Messegelände in Hannover haben das geändert. Im Rahmen der Produktion einer Social Media-Kampagne habe ich Ende März einen E-Vito von Mercedes Benz über das Messegelände fahren dürfen – aus einem Leitstand in einer Messehalle.

Ein Leitstand wie im Gaming-Setup

Teleoperiertes Fahren: Unser Redakteur Thorsten Neuhetzki steuert ein Auto über 5G
Teleoperiertes Fahren: Unser Redakteur Thorsten Neuhetzki steuert ein Auto über 5G

Rückblick auf Ende März: Der Aufbau zum teleoperieren Fahren in Hannover wirkt im ersten Moment recht hemdsärmelig auf mich. Eine leere Messehalle, an der Wand ein Leitstand, quer durch die Halle liegt ein Glasfaserkabel und draußen regnet es. Doch die Voraussetzungen auf dem Messegelände in Hannover sind ideal für das, was die Telekom und Mira an diesem Tag planten: Zwei Influencer aus der Renn- und Tuningszene sollen in einem Geschicklichkeitsparcours gegeneinander antreten. Felix von der Laden und Lisa Yasmin sollen aus dem Teleoperator-Leitstand das Auto lenken, Hindernisse umkurven und Quizfragen beantworten.

Einen Tag vor dieser Produktion bin ich vor Ort, der Aufbau läuft. Der Leitstand erinnert mich auf den ersten Blick an Rennspiel-Simulatoren, wie ich sie von Spiel-Casinos auf Fähren kenne: Ein Lenkrad, zwei Pedale und eine ganze Batterie Monitore. Für Highend-Gamer sicher auch ein Gaming-Setup für zuhause. Über das Glasfaserkabel gelangt das Signal des Leitstandes ins Internet, um vom Festnetz ins Mobilfunknetz der Telekom übergeben zu werden: Das öffentliche 5G-Netz der Telekom auf dem Messegelände überträgt es an den Vito, der vor der Halle steht.

Perfekt für das Event ist das Messegelände genau wegen dieses 5G-Netzes, das die Telekom auf dem Gelände installiert hat. Das öffentliche Netz bot nach Angaben der Telekom mehr als 1,1 Gbit/s im Down- und 120 Mbit/s im Upstream bei einer Reaktionszeit von bis zu 25 Millisekunden. Das Messegelände der
Deutschen Messe erhielt von der Telekom zudem bereits ein eigenes 5G-Campus-Netz, das hier aber nicht zum Einsatz kam. Nach Köln und Hannover ist die Bundesstadt Bonn als weiteres Testfeld für ferngesteuerte Autofahrten geplant. Die Deutsche Telekom ist an den Tests von Mira beteiligt. Mit den
Testergebnissen plant das Technik-Team der Telekom das 5G-Netz anzupassen.

Auto ist mit zehn Kameras ausgestattet

Teleoperiertes Fahren ist derzeit in Deutschland nur unter sehr engen Regularien erlaubt. So ist es in der Regel erforderlich, dass noch ein sogenannter Sicherheitsfahrer im Auto sitzt. Er ist verantwortlich für das Auto und kann und muss jederzeit eingreifen, bevor es zu einem Unfall kommt. Auch derjenige, der das Fahrzeug aus der Ferne steuert, braucht eine mehrstündige Schulung. Da der Showcase aber im geschützten Rahmen und auf Privatgelände stattfand, durfte auch ich mich an das Steuer des E-Vito setzen – per Glasfaser und 5G.

Die Perspektive des Teleoperators
Die Perspektive des Teleoperators

Zehn Kameras sind insgesamt am Vito montiert. Sie zeigen dem Teleoperator nicht nur den Blick nach vorne und zur Seite, sondern auch eine Art Seitenspiegel, einen Spiegel an der Seite nach unten für Abstände zu seitlichen Hindernissen und natürlich einen Rückspiegel. Die Datenrate für die Übertragung sei aufgrund der Codecs überschaubar. Mit 10 Mbit/s käme man aus, erklären mir Mitarbeiter.

Nur wenige hundert Meter bin ich mit Unterstützung und dauerhafter Sprachverbindung zum Sicherheitsfahrer gefahren. Eingreifen musste er aber nicht. Dennoch ist das Fahren über eine solche Konsole mehr als ungewohnt. Es fehlt der dreidimensionale Eindruck, den man üblicherweise hat. So lassen sich Entfernungen zu Hindernissen schwer abschätzen. Auch dass es sich nicht um einen großen Curved-Bildschirm, sondern einen Hochkant-Monitor pro Kamera handelt, auf die ich nach vorne und zur Seite blicke, ist ungewohnt. Doch das ist sicherlich etwas, woran man sich gewöhnen wird, wenn man diese Fahrten als Teleoperator beruflich macht. Was auch fehlt, ist das haptische Feedback des Autos. Ich spüre nicht, dass ich bremse. Ich spüre nicht, wenn ich über Kopfsteinpflaster, Regenrinnen oder andere Unebenheiten im Boden fahre. Hier muss ich mich komplett auf meine Augen verlassen. Doch das, so erklärt man mir vor Ort, könne sich künftig noch ändern.

Die Latenz zwischen Realität und dargestelltem Bild ist minimal. Bis zu 25 Millisekunden könne sie betragen, alles darüber wird kritisch, erklären mir Vertreter des Unternehmens Mira. Dass es einen Delay gibt, zeigt aber, dass die Telekom hier nicht geschummelt und ein eigenes Netz für diese Anwendung aufgebaut hat, sondern die sogenannten Wirknetze nutzt.

Was ist das Ziel des teleoperierten Fahrens?

Und wofür das alles? Die Idee ist eine Flottensteuerung bei Shuttles und Logistik per Remote. Im ersten Schritt sei beispielsweise vorstellbar, dass Lastwagen, die zwischen Lager und Werkhalle fahren, per teleoperiertem Fahren gesteuert werden. So kann ein Lastwagenfahrer in der Zeit, in der sein LKW bisher entladen wurde und er warten muss, einen anderen Lastwagen fahren. Das erhöht die Effizienz des Fahrers und senkt die Kosten für die Unternehmen. Später, wenn es autonom fahrende Autos geben wird, sei es auch denkbar, dass sich das Auto dann bei einem Teleoperator meldet, wenn es ein Problem hat.

Auto und Leitstand auf einen Blick
Auto und Leitstand auf einen Blick

Als Beispiel nennt man bei Mira einen Personenshuttle, der auf einer Landstraße vor einem Pannenwagen zum Stehen kommt. Überholen darf der Shuttle den Pannenwagen nicht, denn die Straße hat eine durchgezogene Linie. An dieser Stelle könnte ein Dienstleister die Steuerung übernehmen. Mensch überschreibt Maschine. Nachdem das Auto wieder weiß wie es weitergeht, kann sich der Operator um das nächste autonome Auto kümmern, das ein Problem hat, irgendwo anders in Deutschland. Das Ziel ist ein quasi fahrerloser Fahrzeug-Betrieb. Dabei betreut eine Fahrerin oder ein Fahrer aus der Ferne mehrere Fahrzeuge an verschieden Standorten. Zum Beispiel im Nahverkehr oder im Transport. Das alles setzt natürlich voraus, dass der Gesetzgeber es erlaubt, auf den Sicherheitsfahrer zu verzichten.

5G-Challenge im Video

Notiz am Rande: Auf die Anbindung des Leitstandes per Glasfaser haben Mira und Telekom nach meinem Besuch noch verzichtet. Wie mir die Telekom mitteilte, habe man den eigentlichen Dreh am Ende vollständig über 5G realisiert. Das Ergebnis siehst du hier.

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