So wird die Hamburger Hochbahn mit LTE und Co. versorgt

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Die Hochbahn in Hamburg ist stark frequentiert. Wer auf die Bahn wartet oder in ihr sitzt, greift fast unweigerlich zum Handy und surft im Internet, schreibt WhatsApp-Nachrichten oder telefoniert. Dass das, viele Meter unter der Erde überhaupt möglich ist, ist für die Kunden selbstverständlich. Doch dahinter steht ein immenser Aufwand der Netzbetreiber. So wird die Hochbahn mit LTE, UMTS und GSM versorgt.
Highspeed-Surfen in der Hamburger Hochbahn
Bildquelle: Rolf Otzipka / Telefónica

Es ist eine unscheinbare Metalltür irgendwo in den Winkeln des U-Bahnhofes Jungfernstieg, die sich öffnet. Dahinter ein Labyrinth aus schmucklosen Betonwänden und Gängen. Einer der Gänge führt vor die nächste Tür, hinter der sich Technik im Wert von mehreren hunderttausend Euro verbirgt. Denn hinter der Tür versteckt sich einer von vier Mobilfunk-Betriebsräumen im unterirdischen Netz der Hamburger Hochbahn.

Ein U-Bahn-Netz, 3 Mobilfunk-Netzbetreiber und 9 verschiedene Signale pro Antenne

Bei U-Bahn-Netzen ist es – genauso wie bei Fußball-Stadien – möglich, dass sich die Mobilfunk-Netzbetreiber in den Betriebsräumen zusammentun. Jeder Netzbetreiber hat dort seine eigene Netz-Zu- und Abführung in Form von Glasfaserleitungen und baut seine eigene Sendetechnik auf. Dann aber wird das Sendesignal der drei Netzbetreiber zu einem Signal gekoppelt und zu den Antennen geführt. Bei drei Netzbetreibern, die jeweils GSM, UMTS und LTE einsetzen, kommen so insgesamt neun verschiedene Netze pro Antenne zusammen.

In der Hamburger Hochbahn hat einst Vodafone die Projektführung übernommen. Das heißt, die generelle Bereitstellung des Raums, der Klimaanlage sowie der Antennen wird vom Projektführer übernommen, alles andere übernimmt jeder Netzbetreiber für sich.

Netzversorgung in der Hamburger Hochbahn

Unabhängige Netze trotz teilweise gleicher Technik

O2 hat in der Hamburger Hochbahn jüngst sein komplettes Netz aufgewertet. Die alte E-Plus-Technik in den Betriebsräumen wurde abgebaut. Übrig blieben nur noch Bohrlöcher und Umrisse der alten Hardware an der Wand des Betriebsraums Jungfernstieg. Dafür hat O2 an einer anderen Wand um so mehr neue Technik aufgebaut. Denn im Zuge der Netzintegration hat O2 deutlich mehr Sektoren in das Netz eingebracht, als es Vodafone oder die Telekom bis dato machen.

Mehr Sektoren bedeuten auch mehr Gesamtkapazität. Das ist allerdings auch notwendig, da O2 durch die Übernahme von E-Plus der nach Kunden größte Anbieter in Deutschland ist und zudem alle Kunden eine Freischaltung für LTE haben und dadurch deutlich mehr Daten verbrauchen. In der Hamburger Hochbahn sind es derzeit 1,5 TB pro Tag.

Viel Wärme für viel Netz

Es ist warm und vergleichsweise laut in dem Betriebsraum in den Katakomben des Bahnhofs Jungfernstieg. Die Technik, die die drei Netzbetreiber aufgebaut haben, produziert auch viel Wärme. Das ist eine Folge der Technik, die bei einer solchen Versorgung aufgebaut wird. Denn die Netzbetreiber bauen die gleiche Technik auf, die sonst an Sendern auf Hausdächern zu finden ist. Hier kühlt in der Regel die Umgebungsluft die Technik, doch bei dem konzentrierten Aufbau der drei Netzbetreiber, mit der man in Summe eine kleine Stadt versorgen könnte, ist eine Klimaanlage unabdingbar. Der Ausfall der Technik ist sonst vorprogrammiert.

Die Wärme entsteht durch die Sender, die ein Antennensignal produzieren, das eigentlich nicht direkt neben dem U-Bahn-Fahrgast ausgesendet wird, sondern eben auf Hausdächern steht und mehrere hundert Meter oder sogar mehrere Kilometer überbrücken soll. Doch das ist in der U-Bahn nicht möglich und auch nicht notwendig. Alleine wegen der einzuhaltenden Schutzabstände, die es bei Sendern auf Hausdächern gibt, wäre der Einsatz dieser Sendeleistung bei der U-Bahn nicht möglich. Bevor die Sendesignale also zum Signalkoppler geschickt werden, der die Netze von Telekom und Vodafone mit dem von O2 zusammenführt, wird die Sendeleistung wieder auf 1 Milliwatt reduziert. Erst das zusammengeführte und in der Sendeleistung stark reduzierte Signal wird dann weiterverarbeitet.

Zwischen Antenne und Basisstation können viele Kilometer liegen

Das Signal beinhaltet jetzt die Informationen aller Netzbetreiber und aller drei Netzstandards. Jetzt wird das bisherige HF-Sendesignal, das an dieser Stelle direkt auf eine Antenne in der Nähe gelegt werden könnte, in ein optisches Signal gewandelt und dann per Glasfaserleitung zu sogenannten Remote-Radio-Heads in den Bahnhöfen oder den Tunneln übermittelt. Diese Remote-Radio-Heads wandeln das optische Signal wieder in ein Sendesignal um und senden es letztlich aus.

Eigentlich sind zwischen einer eNodeB (das ist die Basisstation eines LTE-Senders) und der Antenne maximal 80 Meter vorgesehen. Danach wird die Dämpfung durch das Kupferkabel zu groß. Das Glasfaserkabel erlaubt größere Distanzen. „Diese Methode der optischen Repeater erlaubt es uns, die eigentlichen Basisstationen weit weg von den eigentlichen Antennen aufzubauen“, erklärt ein verantwortlicher Netztechniker von Telefónica Deutschland, dem Betreiber des O2-Netzes.  Bis zu acht Kilometer legt das Handysignal in der Hamburger Hochbahn zwischen Antenne und der eigentlichen Basisstation zurück.

Nicht jede (LTE-)Frequenz ist sinnvoll für die U-Bahn

Die eingesetzten Frequenzen ergeben sich unter anderem aus technischen Parametern des Schlitzkabels sowie der eingesetzten Technik im Betriebsraum. Durch die Kopplung der drei Netzbetreiber können nicht unendlich viele Frequenzbänder verwendet werden. Dadurch das GSM und UMTS aber typischerweise bei allen Netzbetreibern in den gleichen Frequenzbändern realisiert werden (900 und 2100 MHz), gibt es für LTE für jeden Netzbetreiber noch ein drittes Frequenzband. Hier hat man sich zumindest bei O2 für 1800 MHz entschieden. Das Frequenzband um 2.600 MHz eigne sich wegen der Dämpfung des Signals durch die Waggons aus Stahl aber auch durch die Fahrgeschwindigkeit kaum.

Neben Jungfernstieg gibt es drei weitere solche Betriebsräume. Sie befinden sich in den Bahnhöfen Schlump, Wandsbek Markt und Legienstraße. Jeweils von ihren Standorten aus versorgen sie die nächstgelegenen unterirdischen Bahnhöfe sowie die Tunnel der Bahn. 1,5 TB Daten überträgt die Anlage täglich alleine im O2-Netz.

Ein Blick nach nebenan: Die Versorgung der Europa-Passage

Nur wenige Meter neben der Technik in den Katakomben des U-Bahnhofes Jungfernstieg, ohne die zumindest in Sachen Handy während der Fahrt zwischen Berliner Tor, Rathaus und Klosterstern und somit auch in der U-Bahn am Hauptbahnhof gar nichts gehen würde, ist übrigens noch ein Technik-Raum. Um ihn zu finden, muss man in das Parkhaus der erst vor kurzem gebauten Europapassagen. Auch hier: Eine unauffällige Seitentür, die Autos düsen dran vorbei – die Fahrer womöglich telefonierend. Dabei wissen sie gar nicht, dass sie hier, mehrere Stockwerke unter der Erde gar nicht telefonieren könnten, wenn es den Raum neben ihnen nicht gäbe. Der Betriebsraum der Mobilfunker in den Hamburger Europapassagen wird betrieben von Telefónica. Auch hier: Netztechnik von – logisch – O2, aber auch Telekom und Vodafone.

84 Antennen werden aus dem Betriebsraum im Parkhaus angesteuert. Sie hängen im Parkhaus, in der Büroetage und in der Mall selber – meist unauffällig an der Decke. Diese drei Bereiche entsprechen zumindest im O2-Netz jeweils einem Sektor. Anders als in der U-Bahn kommt zwischen Antenne und Technik im Betriebsraum keine Glasfaserleitung zum Einsatz, sondern ein HF-Kabel. Damit muss am Antennenstandort auch kein Remote-Radio-Head, der Platz benötigt, eingebaut werden, sondern nur die Antenne.

Die Kunst einer guten Versorgung in solchen Objekten besteht auch darin, die Antennen im Gebäude so zu positionieren, dass eine lückenlose Versorgung gewährleistet wird. Und – die Sendeleistungen korrekt an die unterschiedlichen Kabellängen und Antennenpunkte angepasst wird. Dies geschieht über Koppler und Dämpfungsglieder im Betriebsraum sowie an verschiedenen Punkten im Gebäude, etwa in Versorgungsschächten oder hinter abgehängten Decken.

Netztechnik mit geringer Halbwertzeit

Obwohl die Passage erst 2006 eröffnet wurde, musste die Mobilfunktechnik bereits einmal ausgetauscht werden. Grund dafür ist die verwendete Technik, die zwar beim Aufbau das beste am Markt war, jedoch leider auf die eingesetzten Frequenzen exakt festgelegt war. Durch zwei Frequenzvergabeverfahren und die Netzzusammenlegung von O2 und E-Plus haben sich zahlreiche Frequenzen geändert – die eingesetzt Technik hat zumindest in Teilen nur noch Schrottwert. Die jetzt eingesetzte Technik ist für den Fall künftiger Änderungen deutlich flexibler. Jeder Netzbetreiber kann auf der Kopplungsanlage vier Frequenzbänder einsetzen. Ob dieser darauf GSM, UMTS oder LTE realisiert, bleibt ihm überlassen. Bei einer solchen Gebäudeversorgung können auch kurzwelligere Frequenzen mit geringerer Reichweite einsetzen und so mehr Kapazität bereitstellen.

300 Meter laufen und dabei durch drei Sonderversorgungen gehen

Geht ein Kunde nun am Jungfernstieg vom Tunnel der S-Bahn Hamburg, die die Telekom als Projektführer aus Altona versorgt, hinüber zum Bahnhof der Hochbahn Hamburg am Jungfernstieg (Projektführer Vodafone) und von dort in die Europapassagen (Projektführer Telefónica), so bewegt er sich zu keinem Zeitpunkt im „regulären“ Mobilfunknetz, sondern durch drei verschiedene Sonderversorgungen. Erst auf der Straße wird er regulär über die Dachantennen versorgt. Im Idealfall merkt der Kunde davon nichts, wenn er telefoniert. Dabei ist das für das Netz überaus anspruchsvoll. Denn damit laufende Gespräche nicht abbrechen, müssen die Zellen einander kennen und Gespräche übergeben – nicht ganz leicht, wenn die Basisstationen mehrere Kilometer auseinander liegen. Doch es gelingt.

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